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Entschließung: Einführung von IPv6 steht bevor: Datenschutz ins Netz einbauen!

82. Konferenz vom 28. bis 29. September 2011 in München

Viele Betreiber und Anwender stellen in diesen Monaten ihre Netzwerktechnik auf das Internet-Protokoll Version 6 (IPv6) um. Grundsätzlich darf es mit einer Migration von IPv4 zu IPv6 nicht zu einer Verschlechterung der technischen Rahmenbedingungen zur Ausgestaltung von Privacy kommen. Neuen Herausforderungen muss mit wirksamen Konzepten begegnet werden.
IPv6 stellt eine nahezu unbegrenzte Anzahl von statischen IP-Adressen zur Verfügung, die eine dynamische Vergabe von IP-Adressen, wie sie zur Zeit bei Endkunden gängig ist, aus technischer Sicht nicht mehr erforderlich macht. Aber durch die Vergabe statischer Adressen erhöht sich das Risiko, dass Internetnutzende identifiziert und ihre Aktivitäten auf einfache Weise webseitenübergreifend zu individuellen Profilen zusammen geführt werden können. Sowohl der von den Internet-Providern bereitgestellte Adressanteil (Präfix) als auch gerätespezifische Anteile in den IPv6-Adressen machen eine dauerhafte Identifizierung möglich. Die Zuordnung einer IP-Adresse zu einer bestimmten Person bedarf nicht zwingend einer Beteiligung des Zugangsanbieters. Mit Hilfe von Zusatzinformationen, die dem Betreiber eines Internet-Angebots vorliegen oder ihm offenstehen, beispielsweise Identifikationskonten von Online-Shops oder Sozialen Netzen, ist eine eindeutige Zuordnung von Nutzern möglich. Die vereinfachten Möglichkeiten zur Profilbildung und Zusammenführung von Profilen erhöhen zudem das Risiko und verstärken die Auswirkungen krimineller Handlungen. Mit Blick darauf, dass sich ein Identifikationsrisiko aus beiden Teilen der neuen Adressen ergeben kann, sind Maßnahmen in unterschiedlichen Bereichen erforderlich.

Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder fordern, bei der Umstellung auf IPv6 Datenschutz und IT-Sicherheit zu gewährleisten. Anbieter von Internetzugängen und Diensten sowie Hersteller von Hardware-Lösungen und Software-Lösungen sollten ihre Produkte datenschutzgerecht gestalten (privacy by design) und dementsprechende Voreinstellungen wählen (privacy by default). Internetnutzenden sollten bei der Beschaffung von Hardware und Software sowie beim Abschluss von Verträgen auf diese Aspekte besonders achten.

  • Access Provider sollten Kundinnen und Kunden statische und dynamische Adressen ohne Aufpreis zuweisen. Auf Kundenwunsch sollten statische Adressen gewechselt werden können.
  • Kundinnen und Kunden sollten mit nutzerfreundlichen Bedienelementen bei der Auswahl der Adressen für jeden von ihnen genutzten Dienst unterstützt werden.
  • Hard- und Softwarehersteller sollten die „Privacy Extensions“ unterstützen und standardmäßig einschalten (privacy by default), um die Wiedererkennung von
    Nutzenden anhand von Hardwareadressen zu erschweren.
  • Die Hard- und Softwarehersteller sollten Lösungen für dezentrale Kommunikationsdienste (peer to peer) in Kundensystemen entwickeln, die den Verzicht auf zentrale Plattformen und Portale ermöglichen. Sie sollten interessierten Dritten die Entwicklung solcher Dienste gestatten.
  • Content Provider dürfen zur Reichweitenmessung nur die ersten 4 Bytes der IPv6-Adresse heranziehen und müssen den Rest der Adresse löschen, denn eine Analyse von Nutzungsdaten ist nach Ansicht der Datenschutzaufsichtsbehörden nur auf der Grundlage anonymisierter IP-Adressen zulässig. Die ersten 4 Bytes sind für eine Geolokalisierung ausreichend.
  • Zugangsanbieter und Betreiber von Internetangeboten sollten nicht protokollierende Proxy-Server einsetzen und die Voraussetzungen schaffen, dass ein Internetzugang oder die Nutzung von im Internet bereitgestellten Inhalten in anonymer Form möglich ist (Anonymisierungsdienste).
  • Hersteller und Anbieter von Betriebssystemen und vorkonfigurierten Geräten (wie PCs, Smartphones und Routern) sollten ihre Anstrengungen bei der Pflege
    und Weiterentwicklung ihrer Produkte intensivieren und regelmäßig Fehler bereinigte Versionen ihrer IPv6-fähigen Software anbieten.
  • Angesichts häufig mangelnder Reife von IPv6-fähigen Produkten ist Anwendern vom Einsatz von IPv6 innerhalb von lokalen Netzen noch abzuraten, wenn dort sensible personenbezogene Daten verarbeitet werden sollen und funktionsfähige Filtereinrichtungen weder zentral noch auf den einzelnen Rechnern im LAN vorhanden und aktiviert sind.
  • Eigentümerinnen und Eigentümer von IP-Adressen dürfen nur auf Wunsch in das weltweite, stark zentralisierte „Internet-Telefonbuch“ whois aufgenommen werden. Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich für eine datenschutzfreundliche
    Gestaltung des whois-Dienstes einzusetzen, dahingehend, dass dieInternet-Verwaltung ICANN den whois-Dienst künftig als verteilte Datenbank gestaltet, so dass die Daten der Eigentümerinnen und Eigentümer jeweils durch lokale Dienstleister oder Selbstverwaltungsgremien gespeichert, gepflegt und von ihnen nach Maßgabe des lokalen Rechts an Dritte übermittelt werden.

Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder werden die Einführung von IPv6 wachsam beobachten und bieten allen Akteuren ihre Unterstützung an.